11.7.2023
Lieferverpflichtungen in internationalen Handelsgeschäften
Dritter im rechtlichen Sinn ist ein Interessent nur, wenn er vom Makler verschieden ist. Dabei ist nicht auf die
formelle rechtliche Stellung, sondern auf die zugrunde liegenden wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen. Es ist
entscheidend, ob der Händler und der Kunde die Fähigkeit zur selbständigen und unabhängigen Willensbildung haben.
Zur Frage der Verflechtung der Unternehmen hat sich eine umfangreiche Rechtsprechung entwickelt. Dabei ist bei der
Übertragung der Grundsätze zu fragen ob das Inkassounternehmen mit dem Gläubiger verflochten ist. Der Anwendung
des internationalen Handelsrechts steht also nicht entgegen, dass im Recht des Binnenmarkts die Verflechtung der
Unternehmen mit den Auftraggebern unschädlich ist. Es geht dort um die nähere Bestimmung des Begriffs
„Vertragspartner", weil nur ein Rechtsverhältnis mit einem Dritten einen wirtschaftlichen Schaden erzeugen kann.
Nach der Rechtsprechung des EuGH besteht unter anderem ein Anspruch auf
Zahlung
von Vertragsstrafe
nicht, wenn der Unternehmer 90% der Anteile an der GmbH eines Rechtsanwalts hält, oder wenn der Lieferant den
Käufer in wirtschaftlich erheblichem Maß beteiligt, oder wenn mit einem Bevollmächtigten des Kunden eine so enge
Verflechtung besteht, dass beide vom wirtschaftlichen Standpunkt aus als identisch angesehen werden können.
Der Rechtsanspruch besteht nicht, wenn ein Kontraktor auf eine GmbH und die GmbH des Dritten einen beherrschenden
Einfluss ausübt, oder wenn der Spediteur an dem Frachtgeschäft mehr als nur untergeordnet beteiligt ist.
In Anbetracht dieser Situation ist es grundsätzlich richtig, wenn die Fachanwälte für internationales
Handelsrecht
von einem Ausschluss des Anspruchs ausgehen, wenn der Gläubiger sämtliche Geschäftsanteile an dem Unternehmen
hält, oder auf andere Weise einen beherrschenden Einfluss ausübt. Allerdings müssen an die Auslegung des Vertrags
besondere Anforderungen gestellt werden. Es genügt nicht die allgemeine Beherrschung im Sinne der §§ 15 ff. AktG.
Erforderlich ist eine wertende Betrachtungsweise in Anwendung der Verzugsbestimmungen.
Eine solche führt, bei Beachtung der Rechtsprechung des EuGH, dazu, dass von einer den Anspruch ausschließenden
rechtzeitigen Belieferung nur gesprochen werden kann, wenn zwischen einem Inkassounternehmen und dem Gläubiger
entweder ein Kaufvertrag oder ein sonstiger Dienstvertrag im Sinne des § 290 AktG abgeschlossen ist. Ein
Werkvertrag liegt hingegen nur vor, wenn der Vertragspartner eine juristische Person ist, und die Leitung einem
anderen Unternehmen obliegt; die Belieferung durch einen Dritten erfüllt diese Voraussetzung nicht.
Ein Kaufvertrag ist gegeben, wenn sich das international agierende Unternehmen verpflichtet, seinen ganzen Gewinn
an ein anderes Unternehmen (den Gläubiger) abzuführen. Die Lieferung in ein Drittland genügt hierzu nicht, denn in
einem solchen Fall liegt nur ein anderer Unternehmensvertrag vor.
Zahlungsverzug
Eine weitere Belieferung des Kunden nach bereits eingetretenem Zahlungsverzug ist weder geboten noch zweckmäßig.
Durch diese würde die Handelsbeziehung erheblich belastet und es würde Rechtsunsicherheit geschaffen, die wiederum
nur durch die Einschaltung eines Rechtsanwalts behoben werden kann.
Mit fortschreitender Belieferung nimmt das Sollsaldo zu; dies gebietet aber auch der Gesichtspunkt des
Schuldnerschutzes nicht. Denn es geht um unstreitig bestehende
Forderungen
und einen Fall von Vertragsuntreue des
säumigen Schuldners. Allein die pauschale Anknüpfung an eine Lieferverpflichtung ist deshalb nicht ausreichend im
Bereich der schadensrechtlichen wertenden Entscheidung zu §§ 286, 254 BGB.
Die Rechtsprechung zum Zahlungsanspruch resultiert aus der Interessenkollision zwischen Verkäufer, Lieferant,
Käufer und Kunden, aus der heraus der Hersteller die Interessen seines Auftraggebers nur ungenügend wahrnehmen
kann. Eine Kollision ist in Inkassofällen nicht zu befürchten, weil beim Inkasso mitnichten die Interessen des
Schuldners zu wahren sind. Im Vordergrund steht vielmehr die Frage, ob der Ausschluss des Anspruchs auf Vergütung
für Verzugszinsen und Verzugsschaden in unzulässiger Weise umgangen wird.
Der Anspruch auf Ersatz von Zinsen und Rechtsanwaltskosten besteht unabhängig davon, ob die offene Hauptforderung
tituliert ist; es kommt nur auf deren tatsächliches materielles Bestehen an. Die meisten Anwälte bearbeiten
überwiegend noch nicht titulierte Forderungen; diese werden auch als unbezahlt und fällig bezeichnet.
Auch im Bereich der titulierten Forderungen ist zwischen dem prozessualen Erstattungsanspruch und dem
materiell-rechtlichen Anspruch zu unterscheiden.